Im Mai wurde ich von Alizée Korte im Rahmen der #Authorschallenge auf Instagram nominiert, eine Kurzgeschichte zu dem Stichwort „Zeitlupe“ zu schreiben.

Ich habe die Herausforderung angenommen, auch wenn mir klar war, dass ich die eigentlich geforderten vier Wochen zwischen Nominierung und Erscheinen der Kurzgeschichte nicht annähernd würde einhalten können. Aber die von Lima Strysa ins Leben gerufene Challenge soll ja vor allem Spaß machen.

Die Kurzgeschichte ist inzwischen (Stand Oktober 2021) fertig geschrieben, zweimal testgelesen und zweimal überarbeitet. Doch bevor ich an den letzten Feinschliff gehen kann, hat sich die für diesen Herbst geplante Veröffentlichung meines zweiten Romans „Irgendwie dazwischen oder: Das mit Percy“ dazwischengeschoben. Deshalb liegt die Geschichte vorübergehend auf Eis.

Nichtsdestotrotz möchte ich hier schon einmal einen kleinen Einblick in die Geschichte geben, die voraussichtlich Anfang 2022 erscheinen wird. Wer ortskundig ist, hat es vielleicht schon auf dem Beitragsbild erkannt: Die Geschichte spielt auf dem Brocken. Und sie ist wieder ein Spin-Off zu meinem Roman „Weil du es bist“. „Gipfelstürmer“ hat rund 50 Seiten und ist damit deutlich länger als „Über den Berg“ und „Zurück.“. Die Geschichte wird 5 Tage als E-Book bei Amazon gratis zu erwerben sein und danach 0,99 EUR kosten. Es wird auch wieder ein Heft geben, das man sich ins Bücherregal stellen kann.

EDIT: Die Kurzgeschichte ist inzwischen erschienen.

Seit dem 30.05.2022 gibt es auch einen Trailer zum Buch.

Das Cover ist schon fertig.

Und das ist der Klappentext:

Schon früh brechen Sascha und Markus an diesem Himmelfahrtsmorgen 2012 auf, um auf der Brockenstraße Norddeutschlands höchsten Berg zu besteigen. Es ist ihre erste gemeinsame Bergtour seit Saschas Unfall – und zugleich ihre schwierigste.
„Gipfelstürmer“ erzählt von Schweiß und Tränen, von einer Liebe, die nicht einfach aufhört, nur weil man nicht mehr zusammen ist, von einer bedingungslosen Freundschaft – und von dieser einen Art Glück, die einen mit Haut und Haaren erfasst und eigentlich viel zu groß ist, als dass man es aushalten kann.

Leseprobe:

 – 19. Mai 2012

Wir sind da. Wahnsinn. Wir machen es wirklich. Ich mache es wirklich. Mein Herz klopft wild vor Aufregung, während wir auf den Parkplatz Alte Bobbahn einbiegen. Gleich geht es los. Fünfhundert Höhenmeter bergauf, verteilt auf zehn Kilometer Strecke, sie werden mich mehr fordern als alle Touren, die Markus und ich früher gemacht haben.

Der Parkplatz ist noch ziemlich leer. Wir finden ohne Probleme einen Stellplatz, der es mir ermöglicht, bequem auszusteigen. Das Parkhaus, das über mehrere Behindertenparkplätze verfügt, lag uns strategisch zu ungünstig. Zu weit unten, zu weit weg vom eigentlichen Beginn unserer Tour. Wir haben das recherchiert. Wir haben alles recherchiert.

Während ich meinen Rollstuhl zusammenbaue und anschließend vom Auto in ihn übersetze, schultert Markus seinen großen Tagesrucksack. Darin ist auch mein Zeug. Den Rucksack, den ich mir normalerweise über die Rückenlehne hänge, habe ich heute nicht mitgenommen. Es ist nicht nur eine Frage des Gewichts, sondern auch eine des Schwerpunkts.

„Und? Bist du bereit?“ Markus schließt die Kofferraumtür und aktiviert die Zentralverriegelung. Es ist mein Auto, aber er steckt sich den Schlüssel in seine Hosentasche. So haben wir es ausgemacht. Ich habe heute nur mich, meine Klamotten und meinen Rolli dabei. Und die Trinkflasche samt Halterung vorne am Rollstuhlrahmen.

„Klar“, antworte ich.

Und dann gehen wir los. Unsere erste Etappe führt uns durch den oberen Teil des Ortes Schierke, vorbei an ein paar Wirtshäusern und der Jugendherberge bis zum Nationalparkhaus. Einen guten Kilometer und knapp 40 Höhenmeter. Sozusagen zum Warmwerden.

Das Wetter ist hervorragend an diesem Himmelfahrtstag. Die Sonne scheint, es sind jetzt am Morgen vierzehn Grad, heute Nachmittag sollen es bis zu fünfundzwanzig werden. Regen ist nicht angesagt. Bessere Voraussetzungen könnten wir nicht haben.

So früh ist hier kaum jemand unterwegs. Logisch. Wer zu Fuß von hier aus den Brocken besteigt, braucht dafür zwei bis drei Stunden. Markus und ich rechnen mit mindestens sieben. Der Mittagessen-Ansturm im Touristensaal oben auf dem Gipfel wird längst vorbei sein, wenn wir kommen.

Wenn wir kommen.

Vielleicht schaffe ich es auch einfach nicht.

Dass diese Möglichkeit besteht, ist mir klar. Aber ich werde alles geben. Und Markus wird an meiner Seite sein.

Markus. Mein bester Freund aus der Schulzeit. Auch er gehörte zu denen, die ich nach dem Unfall nicht mehr sehen wollte. Niemanden wollte ich mehr sehen. Es erschien mir leichter, mit mir selbst und mit der Tatsache, für immer behindert zu sein, klarzukommen, wenn ich alles Alte hinter mir lasse. Anfangs schien das auch zu funktionieren. Das Mitleid der Leute ist geringer, wenn sie einen vorher nicht kannten. Sie gehen unbefangener mit einem um. Manche jedenfalls. Die, die grundsätzlich dazu in der Lage sind. Und davon durfte ich inzwischen einige kennenlernen.

„Mensch, Sascha, jetzt haben wir gar kein Foto gemacht“, unterbricht Markus meine Gedanken. „Lass uns das noch nachholen.“

„Ein Foto.“ Ich mag es noch immer nicht, im Rollstuhl fotografiert zu werden. Auch wenn es inzwischen einige wenige Bilder gibt, die okay sind. Das aus dem Berggarten zum Beispiel, das Fredi von mir gemacht hat. Oder das von mir und Markus auf der Südbrücke in Mainz. „Du willst heute aber keine Fotostory machen, oder?“

„Nein. Keine Sorge. Nur ein paar Bilder. Zur Dokumentation. Jetzt siehst du noch frisch aus.“ Er grinst mich frech an.

„Okay, meinetwegen.“ Er macht das heute mit mir und es wird auch für ihn kein Zuckerschlecken sein. Was vermutlich eine extreme Beschönigung für das ist, was ihn erwartet. Er wird schrecklich langsam gehen und womöglich zusätzlich auch noch meine Launen aushalten müssen. Für mich ist diese Aktion eine Herausforderung, von der ich nicht weiß, ob ich ihr gewachsen bin, weder körperlich noch emotional. Und er wird das alles aushalten müssen. Da will ich ihm seinen Wunsch nicht verwehren. Markus liebt das Fotografieren und er ist auch wirklich gut darin. Er hat supercoole Fotobücher von unseren Touren gemacht. Wenn ich es heute bis zum Gipfel schaffe, werde ich sie mir mal wieder angucken, zum ersten Mal seit über drei Jahren.

„Wir könnten uns vor der Jugendherberge ablichten. In Erinnerung an alte Zeiten. Okay?“

„Okay.“ Es erfüllt mich mit Stolz, dass ich einfach so „Okay“ sagen kann. Vor knapp dreieinhalb Jahren haben Markus, Lilly, Corinna und ich hier Anfang Januar zwei Nächte in der Schierker Jugendherberge übernachtet. Fünf Tage waren wir mit dem Rucksack im Harz unterwegs, waren Eislaufen in Braunlage, Schneeschuhwandern und Rodeln auf dem Wurmberg, und natürlich sind wir auch auf den Brockengipfel gewandert. Es war cool. Zwei junge, verliebte Pärchen voller Tatendrang und voller Leben.

Zwei Monate später hat mein Leben eine lange Pause gemacht.

„Denkst du oft an Lilly?“, frage ich Markus, während die Jugendherberge langsam in Sicht kommt. Ich rolle relativ entspannt neben ihm her, die Steigung ist gering und die Straße gut. Lilly hat nach der Schule eine Ausbildung zur Augenoptikerin gemacht und lebt jetzt in Lüneburg, sie hat sich irgendwann letztes Jahr von Markus getrennt.

„Ach …“ Markus hebt die Schultern. „Es hat halt nicht sein sollen. Wir hatten uns eh auseinandergelebt. Du hast doch gesehen, auf der Party bei Jan konnten wir normal miteinander umgehen.“

Ich sage jetzt lieber nicht, dass ich an dem Abend viel zu sehr mit mir selbst beschäftigt gewesen bin, als dass ich Markus‘ und Lillys Umgang miteinander beobachtet hätte.

„Du und Corinna, ihr seid ja auch ganz gut miteinander klargekommen, oder?“, fragt Markus.

„War schon okay.“

Unsere erste Begegnung nach drei Jahren war zuerst extrem verkrampft. Aber mit der Zeit wurde es besser. Wir haben sogar zusammen getanzt. Aber eigentlich habe ich dabei die meiste Zeit an Fredi gedacht.

Wir kommen an der Jugendherberge an. Markus nimmt seinen Rucksack ab und holt seine Kamera raus.

„Sag jetzt nicht, du schleppst auch noch das Stativ mit dir rum“, sage ich, als er anfängt, sein kleines Teleskopstativ auszuziehen.

„Ach, das wiegt doch nichts. Bei deinen Unmengen von Sportschorleflaschen ist das bisschen an Gewicht wirklich zu vernachlässigen.“

„Warte nur, bis ich fast oben bin und alle Flaschen ausgetrunken habe“, entgegne ich grinsend. „Dann macht es einen deutlich größeren prozentualen Anteil am Gesamtgewicht aus.“

„Hört, hört, der Mathematiker spricht!“ Markus grinst zurück. Sein Stativ hat uns schon auf vielen Wanderungen begleitet, und manchmal hat er es wegen des zusätzlichen Gewichts verflucht. Aber nichtsdestotrotz nahm er es bei jeder Tour wieder mit. Die Kamera lässt sich damit auf knapp einem Meter Höhe aufstellen. Markus bereitet alles vor, stellt seine Kompaktkamera auf Selbstauslöser, rennt zu mir rüber, hockt sich neben mich, wir legen die Arme umeinander, und dann lächeln wir in die Kamera. Fast wie früher.

Nachdem Markus den Fotoapparat vom Stativ abgeschraubt hat, gibt er ihn mir, während er die Teleskopbeine wieder zusammenschiebt. Ich betrachte das Bild auf dem kleinen Display. Es unterscheidet sich von den meisten neueren Fotos, die es von mir gibt. Meistens werde ich von schräg oben aufgenommen. Dieses Bild zeigt uns eher von unten.

„Du lächelst“, stellt Markus fest.

„Ja. Es gefällt mir.“

Es gefällt mir wirklich, und es macht mir gerade auch gar nichts aus, dass Markus das merkt und dass ich mir sicher bin, dass er extra langsam das Stativ einpackt, um mir noch etwas Zeit mit dem Foto auf dem Kameradisplay zu geben. Der Rollstuhl ist nicht zu übersehen, ja, aber … ich gefalle mir. Markus und ich sehen fröhlich aus. Sportlich. Energiegeladen. Wir tragen die gleichen Funktionsklamotten wie früher. Sie stehen mir, immer noch. Es fühlt sich gut an, dass sie jetzt wieder echte Verwendung finden.

„Die Kamera.“ Markus steht neben mir und streckt die Hand aus. „Wir sollten jetzt mal weiter. Sonst sind wir nachts noch unterwegs.“

Erschrocken sehe ich zu ihm auf. Wie lange steht er schon da? Er grinst, während er die Kamera entgegennimmt. Oder vielleicht ist es auch ein Lächeln.

Ende der Leseprobe.

Leser*innenstimmen

Ich danke allen Leser*innen, die „Gipfelstürmer“ bisher gelesen haben und mir in irgendeiner Weise Feedback haben zukommen lassen. Es ist immer wieder ein riesengroßes Geschenk, erfahren zu dürfen, wie Leser*innen meine Geschichten und Romane erleben – dass sie genauso berührt und gefesselt sind wie ich beim Schreiben.

Einige Ausschnitte aus ausgewählten Rezensionen habe ich hier in diesem Artikel zusammengestellt.

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